Mittwoch, 14. August 2013

Das Schloss aus Glas

Das Schloss aus Glas. Dort sehe ich es. Mein Schloss aus Glas. Über den Wolken. Behutsam von ihnen getragen und umschlossen. So fliege ich hin. Fliege – doch ich habe keine Flügel. Staune über all die Schönheit des Himmels. Staune – doch ich habe keine Augen. Spüre die weichen Decken des Horizonts. Spüre – doch ich habe keine Hände.
Die glatten und fein gearbeiteten Fassaden des gläsernen Königshauses glänzen im untergehenden Licht der Sonne. So hoch oben. Geborgen und vertraut und doch so fremd, da es immer wieder anders erscheint. Endlose Säle und riesige Leuchter mit abertausenden von kleinen Glaskristallen.
Inmitten vollendeter Schönheit stehst du. Der wertvollste Schatz des ganzen Schlosses. Einzigartig und aus Glas. Sorgsam lege ich meine Hand auf deine kühlen, harten Finger. Betrachte dein Gesicht. Makellos gemeißelt und doch ohne Form. Deine schier unerreichbare Eleganz von Figur und doch leblos.
Ich sehe deine Lippen. Voll und zum Kuss geformt. Wie schön. Eine Welle der Zuneigung überschwemmt meine Gedanken. Stumm. Die Zeit bleibt stehen und ich führe meinen Mund zu deinem. Meinen Mund, der eigentlich fernab von jenem Schloss verweilt und keine irdische Existenz verspürt. Jener Mund küsst. Vorsichtig und ganz sanft, damit deine zarten Lippen nicht verletzt werden. Damit das Glas nicht zerbirst.
Er verschmilzt mit deinem. Wie Eis, erhitzt vom goldenen Feuerball werden deine Lippen warm. Dein ganzes Gesicht scheint zu tauen. Scheint Fleisch zu werden. Und eben jener Mund küsst mich zurück. Ich weiche und flüchte aus der plötzlich so eng gewordenen Umarmung. Überrascht und überwältigt. Ich blicke dich an. Blicke in die Tore deiner Seele. So unschuldig und rein. Nichts könnte mich hindern von ihnen abzulassen.
Nehme deine Hand, fühle deine Finger und lasse mich hingeben deiner Nähe. Unbemerkt und lautlos drehen wir uns. Arm in Arm, wie zwei Tänzer auf dem Parkett. Wie die Ballerina in der Schmuckschatulle. Von selbst bewegen sich unsere Füße, werden immer schneller und heben ab. Spüren nicht, wie der Boden unsere Absätze verabschiedet. Schweben. Wir schweben drehend Richtung Himmel. Leicht und schwerelos. Wie der Kuss von eben. Wie der Ton einer Flöte, der sacht in den Sternenhimmel gespielt wird. Der Violinen, Trompeten und Horne inspiriert uns zu begleiten. Ein Orchester. Eine Harmonie. Wir fliegen. Getragen von der Melodie. Und du und ich, wir sind längst nicht mehr körperlos. 
 

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