Dienstag, 3. September 2013

Die Fragen der Alina Lara Anna

Meine Worte wären Balsam für die Seele, sagte sie.
Eine Frau kam zu mir. Ich saß in einem Liegestuhl zwischen Radfahr- und Gehwegstreifen. Mit Kopfhörern im Ohr. Da kam sie. Schlank, groß, feminin gekleidet, vielleicht Mitte 30.
 »Hallo!«, sagte sie. »Mir gefällt dein Nagellack. So einen sieht man selten.«
Ich pulte meine Kopfhörer aus den Ohren, damit ich sie besser verstehen konnte.
 »Darf ich deine Füße fotografieren?«, fragte sie. Überrumpelt bejahte ich. Vielleicht war sie ja Künstlerin und modelliert Füße nach. Was weiß ich?
Immer wieder lächelte ich. Freundlich. Man sollte mir ja nicht anmerken, dass ich diese Frau höchst sonderbar fand.
Sie sagte, ich hätte schöne Zähne und ob sie echt wären. Sie fragte weiter. Fragte ob ich rauche, ob ich Geschwister hätte und wie ich heiße.
 »Wie heißt du?« Mein Vorname war meine Antwort.
 »Hast du keinen zweiten Namen?« Ich stutzte. Mein Nachname ging sie doch wohl nichts an. Sie lächelte und schaute mich fragend an. Ich nannte ihn ihr, doch nicht ohne dabei ein mulmiges Gefühl zu haben.
 »Nein, deinen zweiten Namen. Hast du denn keinen?« Ich antwortete ihr, dass ich zwar einen zweiten Taufnamen habe, der aber nicht mehr in meinem Pass stünde. Mein zweiter Name sei der meiner Patin, aber nicht wirklich relevant, sagte ich.
 »Du hast wirklich weibliche Namen.«, sprach sie und ich lächelte höflich und nickte.
Sie fragte auch, was ich einmal studieren wollte.
 »Das weiß ich noch nicht.«, sagte ich und sie fand das ziemlich unglaubwürdig.
Sie fragte und ich fragte mich, auf was das hinauslaufen sollte.
Da nahm ich mich zusammen und fragte. Fragte, warum sie denn so interessiert an meinem Leben wäre.
Sie lächelte und erzählte.
Sie erzählte, dass Menschen mit Behinderung noch immer Ausgestoßene in der österreichischen Gesellschaft wären und nicht akzeptiert werden würden. Sie erzählte, dass eines von 4000 Kindern zweigeschlechtlich auf die Welt kommen würde. Sie wäre das eine.
Nicht Mann, nicht Frau. Nicht männlich oder weiblich.
Vor zwei Jahren sei sie nun zur Frau geworden, wo sie doch als Junge erzogen worden sei.
Vor zwei Jahren habe sie sich umbenannt und ihr psychisches Geschlecht mit dem Äußeren in Einklang gebracht. Sie erzählte von ihrem Körper.
Alina Lara Anna. Drei Namen, durch und durch weiblich. Keine Martina, die an Martin erinnert hätte. Oder eine Christina, die Christian zu sehr ähnelte.
Sie hat wenig sozialen Kontakt und sucht ihn so. Sie brauche ihn, denn viele Menschen gäben sich nicht mit ihr ab.
Sie bedankte sich und fuhr mit ihrem Fahrrad davon.
Alina Lara Anna. Ausgestoßene, Behinderte und trotzdem ein Mensch.

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